Marcus Steinweg
The Subject of Art
1. Juni – 15. Juli 2012

Eröffnung am 1. Juni, Freitag, 19 Uhr

 

Der Kunstverein Arnsberg widmet der Arbeit des deutschen Philosophen Marcus Steinweg eine Einzelausstellung.

In der Ausstellung zeigt Steinweg neue Arbeiten - vor allem Begriffsdiagramme, aber auch ein Video - in denen er seine Ideen formalisiert. Die Diagramme bestehen aus eigenen Text-Absätzen, wissenschaftlichen Begriffen und Namen von Philosophen, die auf Papier collagiert und mit Edding in Beziehung zu einander gesetzt werden. Die verbindenden Linien schließen sich in geometrischen Formen zusammen und bilden ein gedankliches Netz, das Steinwegs philosophische Position visualisiert und kontextualisiert. Daraus entstehen minimalistische Collagen sowie hochkomplexe, manchmal auch chaotisch wirkende Ordnungssysteme, die man als Aufzeichnungen oder abstrakte Denkbilder, Diagramme, Mind-Maps oder konkrete Poesie verstehen / ansehen kann.

Steinwegs Film "Believe me, I believe me" (2007) zeigt ein Publikum bei einer Lesung. Die Stimme im Video ist von einem Vortrag Steinwegs - die Bilder des aufgenommenen Publikums stammen aber von ganz anderen Veranstaltungen. So geschnitten und präsentiert, als ob das Publikum dem Vortrag von Steinweg zuhört, entlarvt sich der Film als Fälschung, in der nicht der Vortragende selbst, sondern das Publikum im Vordergrund steht. Selbstironie und der Versuch, neue Erfahrungen im eigentlich fremden künstlerischen Feld zwischen Realität und Fiktion zu suchen, führen Steinweg auf einen eigenen Weg, indem er je nach Blickwinkel als Philosoph unter Künstlern oder als Künstler unter Philosophen wahrgenommen wird.

Seine Diagramme beschreibt Steinweg wie folgt: 1) Ich mache Begriffsdiagramme. 2) Jedes Diagramm ist die Formalisierung einer Idee. 3) Die Idee kann ein einzelner Begriff sein, der in ein Verhältnis zu anderen Begriffen gesetzt wird, oder ein Ensemble von Begriffen: eine Begriffswolke. 4) Es gibt keinen Begriff, der nicht bereits eine Begriffswolke wäre. 5) Begriffswolken verdichten Transparenz mit Intransparenz, Einfachheit mit Komplexität. 6) Mal kann man durch die Wolke hindurchsehen und alles ist klar, mal unterbricht die Wolke die Sicht und nimmt einem die Orientierung. 7) Die Diagramme müssen so klar wir möglich sein, aber sie dürfen keine Klarheit vortäuschen. 8) Nie geht es darum, einen "ästhetischen Mehrwert" zu erzeugen. 9) Es geht um einen Gedanken, um Philosophie. 10) Was klar ist, kann nur richtig sein.

Grundlage der von Marcus Steinweg im Kunstverein Arnsberg gezeigten Arbeiten ist die von Steinweg in einer Reihe von Büchern (Bibliografie siehe unten) entwickelte Theorie des Subjekts:

"Was ist das menschliche Subjekt? Wie das Subjekt nach dem Tod des Subjekts denken? Was vom Subjekt hat seine Dekonstruktion in der Philosophie vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überlebt? Und wenn es weiterhin ein Subjekt gibt, wenn es also weiterhin Sinn macht, den Menschen als Subjekt (d.h. als Agenten einer gewissen Freiheit, statt ausschließlich als Produkt der Umstände, der Kultur, Ökonomie und Geschichte etc.) zu denken, um was für eine Art Subjekt handelt es sich dann? Es ist klar, dass es ein allerlei Determinationen, allerlei Fremdbestimmungen, ausgesetztes Subjekt ist. Ebenso klar ist, dass es seinen Subjektstatus nur in der vollen Konfrontation mit seinem Objektstatus behaupten kann. Im Subjekt kreuzen sich die Dimensionen einer radikalen Passivität und einer hyperbolischen Aktivität. Das Subjekt ist der Schauplatz dieser Kreuzung. In philosophische Kategorien übersetzt, heißt dies: das Subjekt ist der Ort an dem die Zukunft in die Vergangenheit interveniert und die Vergangenheit die Zukunft determiniert.

Für eine Theorie der Kunst bedeutet dies, die Immanenzillusion reiner Kunst durch ein ihr heterogenes Moment zu kompromittieren, aber so, dass das Kunstwerk noch mit dieser Heterogenität bricht, indem es sie in sich integriert. Das Heterogene kann die soziale Realität sein, das gesellschaftliche Moment, das Kunst nicht schlicht transzendieren kann, um sich in einer Art L’art-pour-l’art-Ästhetizismus einzuschließen. Zugleich muss Kunst ein bestimmtes Maß an Inkommensurabilität gegenüber eben diesem Moment behaupten, nicht durch Ignoranz ihm gegenüber, sondern durch gesteigerte Aufmerksamkeit, die ihr eine infinitesimale Autonomie im Verhältnis zu allem was nicht Kunst ist verschafft. Statt sich dem Immanenzgefüge, das die etablierte Realität ist, das Tatsachenuniversum, zu beugen, impliziert Kunst Widerstand gegenüber dem Gegebenen, um an ein Ungedachtes zu appellieren. Diesem Ungedachten gebe ich eine diagrammatische Form."

Bücher von Marcus Steinweg (Auswahl):
- Bataille Maschine, Berlin: Merve Verlag 2003
- Subjektsingularitäten, Berlin: Merve Verlag 2004
- Behauptungsphilosophie, Berlin: Merve Verlag 2006
- Duras (mit Rosemarie Trockel), Berlin: Merve Verlag 2008
- Politik des Subjekts, Zürich-Berlin: Diaphanes Verlag 2009
- Aporien der Liebe, Berlin: Merve Verlag 2010
- Kunst und Philosophie / Art and Philosophy, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2012

Steinweg wurde 1971 in Koblenz geboren. Seine Position fällt durch zahlreiche Vorträge und Publikationen, Ausstellungen und Projekte sowie durch seine Zusammenarbeit mit Künstlern wie Thomas Hirschhorn und Rosemarie Trockel auf. Steinweg gibt im Merve Verlag die Zeitschrift Inaesthetics heraus, 2011 kuratierte er die Ausstellung "Kunst und Philosophie" im Neuen Berliner Kunstverein und konzipiert aktuell die Vortragsreihe "Überstürztes Denken" in der Volksbühne, Berlin.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.

Diagram: The Subject Of Art, 2011, Laserdruck, Edding, Klebeband auf Papier, 200 x 400 cm