PAINTED MATTER II

Wagehe Raufi, Neda Saeedi, Benedikt Terwiel,
Friederike Feldmann

13. Oktober – 17. November 2024

Die nächste Ausstellung im Kunstverein Arnsberg, Painted Matter II , untersucht das Medium Malerei aus zeitgenössischer Perspektive. Im vergangenen Jahr haben wir die Reihe Painted Matter ins Leben gerufen, um zu erforschen, was Malerei heute bedeuten kann und wie sich die Grenzen des Mediums verschieben. In diesem Jahr gehen wir noch einen Schritt weiter und landen bei Expanded Painting. Dabei handelt es sich um eine Form der Malerei, die über die Staffelei und die physischen Grenzen des Gemäldes hinausgeht, um zu erfahren, wie weit die Malerei in Raum und Zeit gehen kann. Indem sie sich über die Wand hinaus ausdehnt, bezieht sie Objekte und Umgebungen mit ein und vermischt sich auf ungeahnte Weise mit Skulptur, Installation, Video und Fotografie. Aber kann man noch von Malerei sprechen, wenn der Pinsel verschwindet und Platz macht für (digitale) Gesten und Reflexionen im Raum?


Benedikt Terwiel hat Malerei studiert, wendet sich nun aber eher der experimentellen Kartografie zu und schafft faszinierende Landschaftsbilder, in denen es nicht darum geht, herauszufinden, wo man sich befindet, sondern den Betrachter in fiktive Welten eintauchen zu lassen. Seine Videoarbeit Westend (2023) ist ein Porträt der Topographie des gleichnamigen Berliner Stadtteils. Das Westend bezeichnet die Grenze einer frühen, siedlungsgeschichtlichen Ausdehnung nach Westen, die in ihrem Verlauf massive Eingriffe in die Topographie des Geländes nach sich zog. Mit dem Verschwinden der menschlichen Bebauung entblößt sich eine gewaltige Landschaft namenloser Spuren, deren Ort- und Zeitlosigkeit sie als archäologische Stätte untergegangener Kulturen erscheinen lässt.
Die Arbeiten Muttersteine (2024) sind Siebdrucke auf 4 Glasplatten (je 150 x 60 cm), und basieren auf den Berliner „Muttersteinen“, Lithographiesteinen, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Berliner Kartographischen Institut zur Aufbewahrung und Aktualisierung von Karten verwendet wurden. Die auf ihnen gezeichneten Karten wurden durch Überarbeitungen und Korrekturen ständig aktualisiert, um mit der Entwicklung der wachsenden Stadt Schritt zu halten. Durch diese zahlreichen Veränderungen entstand auf der Oberfläche der Steine eine eigene Topographie aus Retuschen. Für die gleichnamige Arbeit „Muttersteine“ wurde die Oberfläche eines Steins hochauflösend gescannt, um aus den gewonnenen Daten Vergrößerungen herzustellen. Die Ergebnisse zeigen Landschaften, in denen die feinen Retuschen des Steins zu einer Landschaft aus Kratern, Mulden und Vertiefungen angewachsen sind.

In Neda Saeedis Arbeit Sinking Suns (2024) sehen wir zwei offene, technisch transparent gemachte Retroprojektoren, wobei die Projektion einer Mini-Glasskulptur eine digitale Malerei auf der Wand erzeugt. Auch bei ihr geht es um die Übersetzung von Form und Licht und um experimentelle Bildbetrachtung. In ihrer Praxis ist die Identität eines Materials ebenso wichtig wie die physische Form, die es annimmt, so dass die Wahl des Materials zum Inhalt ihrer Arbeit wird. Dabei wird die flüchtige Projektion im Raum weiterhin in einem festen Moment, der Fotografie, fixiert und konserviert und so das Thema der Erweiterung von Raum und Medium definiert.

Wagehe Raufis künstlerische und malerische Forschung ist eine eingehende Untersuchung an der Schnittstelle zwischen materieller Präsenz und digitaler Fragilität. Ihre Installationen lösen die Grenzen zwischen analogem und digitalem Raum auf, indem sie reale Objekte auf ihre logarithmische Repräsentation treffen lässt und sie zu künstlichen Landschaften zusammenfügt. Mit ihren Skulpturen und Videoarbeiten versucht sie, den digitalen Raum zu erweitern und in unsere unmittelbare Gegenwart zu integrieren. Ihre Arbeit Mammoth with glass eye (2019) manipuliert verschiedene Projektionsflächen und Oberflächen, indem sie Objekte mit unterschiedlichen technischen und analogen Methoden in andere Medien und Formen übersetzt. Diese Art des Abtastens der Realität verwandelt das Feststoffliche in poröse und scheinbar lose verbundenen Oberflächenformationen, die so auf die Art und Weise verweisen, wie wir unsere Umwelt aufnehmen und konstruieren.

Friederike Feldmanns Malerei kennt keine Staffelei. Sie malt überdimensionale Handabdrücke auf die Wand. Als hätte ein Riese an der Wand gekratzt, in grauer Farbe. Eine (Nicht-)Farbe, die für Verschmutzung und Trübung steht. Sie verweist auf die Ursprünge der Malerei, auf Handabdrücke oder Handnegative in prähistorischen Höhlen, aber auch auf ganz alltägliche, auch unwillkürliche Spuren, die unsere Hände hinterlassen, wie das Wischen beschlagener Scheiben oder das Abtupfen von Schmutz im Handtuch.
Ist ihr Ansatz ein Aufbegehren gegen den lähmenden Anspruch des zeitlosen Meisterwerks? Denn nach dem Ende der Ausstellung verschwindet das Werk und bleibt nur in der Dokumentation und im Gedächtnis des Publikums. Ihre Arbeit inszeniert Spuren, übermenschliches Kratzen an der Wand, bewegt sich von der Malerei zur Zeichnung und von dort über Linie und Schatten zur zeichnerischen Geste.

Text: Pauline Doutreluingne