BEYOND Jahresgaben 2024

Ana Alenso, Friederike Feldmann, Olivier Goethals,
Anne Duk Hee Jordan, Sajan Mani, Wagehe Raufi,
Neda Saeedi, Benedikt Terwiel, Moana Vonstadl


29. November 2024 – 26. Januar 2025

Ana Alenso, Friederike Feldmann, Olivier Goethals, Anne Duk Hee Jordan, Sajan Mani, Wagehe Raufi, Neda Saeedi, Benedikt Terwiel, Moana Vonstadl

Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 29. November 2024, 19:00 Uhr.

Immer wieder sind wir jenseits! Jenseits vieler humanitärer und ökologischer Krisen. Die Welt brennt, und es ist frustrierend, dies wahrzunehmen, ohne direkt etwas ändern zu können. Kunst an sich ist kein Aktivismus, überlassen wir diese Arbeit den Aktivisten. Wir sollten es den Künstlern nicht zur Aufgabe machen, die Welt zu retten. Künstler*innen können uns jedoch zeigen, wie wir anders sehen und denken können, sie lassen uns Einblicke in Veränderungen und Möglichkeiten nehmen, Wege in andere Welten, Welten in der Ferne, Welten im Inneren, Welten der Gefühle, der Risse, Welten des Anderen, Welten eines Jenseitigen.
Nur ein wenig weiter, um die Ecke, weg vom gewohnten Profil, über den Horizont hinaus! Wenn wir uns nach neuen Ideen, nach innovativen Gedanken sehnen, dann hilft es, ein wenig weiter zu schauen, als der Horizont vorgibt. Genau diese Visionen des Jenseitigen verbinden die Werke, die wir für die diesjährigen Jahresgaben ausgewählt haben. Wir hoffen, Sie zahlreich zu dieser letzten Ausstellung des Jahres im Kunstverein Arnsberg begrüßen zu dürfen.

Anne Duk Hee Jordans Welt scheint nicht weit von der Erde und den Tiefen des Ozeans entfernt und ist doch galaktisch weit weg. Verzerrte Maßstäbe und ein verändertes Farbspektrum positionieren unsere Körper in Raum und Zeit neu, lassen uns fremde Perspektiven einnehmen; indem sie uns andere Wahrnehmungen und Empfindungen ermöglichen, stimmen sie uns auf Prozesse des Werdens und Vergehens in der Natur ein. Wenn es im Dunkel der Unterwasserwelt plötzlich leuchtet, schimmert und blitzt, dann haben wir es höchstwahrscheinlich mit spezifischen Phytoplanktonarten zu tun. Teil von Worlds Away imponieren zahlreiche von der Decke hängende UV leuchtende Skulpturen dieser pflanzenähnlichen Kleinstlebewesen.

Ana Alenso war unsere erste Einzelausstellung in diesem Jahr und wir haben hier Werke ausgewählt, die die Symbiose und enge Beziehung zwischen Wasser, Ozean, Öl und Maschinen darstellen. Ihre Installationen und Skulpturen bestehen aus Schläuchen, Rohren und Fässern. Alenso fügt gefundene technologische Spuren des Extraktivismus zu industriellen, poetischen und dennoch düsteren Skulpturen zusammen. Sie bilden Gleichgewichte und Kreisläufe, in denen Konzepte wie Flüssigkeit, Unendlichkeit, Vertikalität aber auch Fehler eine materielle Form und Position annehmen.

Wagehe Raufi zeigt kleine Aquarelle auf Papier (21 x 29,7 cm) und dreidimensionale Wandobjekte. Auf deren Oberflächen hat Raufi Pigmente, chemische Substanzen und organische Materialien wie Hydrogel oder Agar-Agar aufgetragen. Durch unterschiedliche Misch- und Trocknungsprozesse der organischen Substanzen veränderten sich deren Konsistenz, Farbigkeit und Oberflächenstruktur. Im Austausch mit der Umgebung und den umgebenden Materialien trockneten und verformten sich diese Substanzen und lösten die Oberfläche auf. Die hybriden Objekte verbinden organische und synthetische Materialien zu neuartigen Bildoberflächen aus Farben und Texturen, die im Prozess eigenständig miteinander reagieren.

Moana Vonstadl konstruiert in ihren Zeichnungen (2020 – 2024), die Teil des Projekts „The Body is so Resilient” sind, eine Landschaft des Werdens und Entstehens. In ihren Bildern morphen sich abstrakte Strukturen zu Körpern und Landschaften zu Linien, aus denen wiederum Figuren entstehen. Sie arbeitet mit Verbindungen und diffusen Ansätzen und spürt Gefühlen nach.
Landschaften und Räume zeichnet sie oft als urtümliche und unheimliche Szenerien. Zugleich liegt den Figuren darin etwas Kindliches zugrunde, ein unverstellter Blick, der sich selbst und die Welt noch, oder besser wieder, jenseits der Dichotomien von Mann/Frau, Natur/Kultur und Gut/Böse begreift.

Olivier Goethals zeigt eine Reihe von Totems mit inspirierenden und selbstreflexiven Botschaften wie „Begrüße den Erfolg in anderen“, die er durch den Druck seiner Skizzen auf Plexiglas und das Füllen kleiner Gefrierbeutel mit Zement als Ankerpunkt hergestellt hat. Ebenso haben wir eine Reihe gerahmter Zeichnungen von ihm sowie Strichzeichnungen, verdoppelte und gedehnte Gedankenbilder von Zeit und Raum (Speak In, Think Out, 2024). Diese Arbeiten reflektieren den Blick des Betrachters von innen (auf sich selbst) nach außen (in den umgebenden Raum).

Neda Saeedi zeigt eine Auswahl von Fotoarbeiten aus ihre Serie Sinking Suns (2024). In diesen Arbeiten entwirft sie ein starkes visuelles Symbol für die brennenden Konflikte und Krisen unserer Zeit. Sie verleihen den Werken eine fast schon apokalyptische Dramatik. Dabei wird die ursprüngliche Overheadprojektion im Raum in einem definierten Moment, der Fotografie, fixiert und konserviert.

Mit Sajan Manis farbenfrohen Zeichnungen, die hybride Menschen und übermenschliche Wesen darstellen, vor dem Hintergrund malabarischer Zeitschriften (einigen der wenigen archivierten malabarischen Quellen von der Südwestküste Indiens, die ihre eigene Geschichte reflektieren), entwickelt sich die Ausstellung zu einem Resonanzraum, der von den imaginären Erzählungen Sajan Manis Vorfahren widerhallt.

Benedikt Terwiel umreißt ein weites historisches Feld der kartografischen Geschichte am Beispiel Berlins. Die für die Arbeit Invaliden/Straße (2021) ausfindig gemachten Lithografiesteine, von denen er Gipsabdrücke anfertigt, sind auf das Jahr 1937 datiert. Seinerzeit dienten sie als Druckvorlagen für Stadtpläne und Landkarten. Vor dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses von Karte und Kartierung hat man es heute mit digitalen Geoinformationen zu tun. Basierend auf aktuellen Geodaten, die der Künstler vom Berliner Landesvermessungsamt erfragt hat, erstellt er eine Serie von computeranimierten Landschaftsbildern, die das Berliner Südgelände (2021) zeigen. Das Gebiet des heutigen Natur-Parks Schöneberger Südgelände erscheint in den Renderings wie ein Filmstil aus einem Science-Fiction-Film. Befürchtungen hinsichtlich eines dystopischen Zukunftsszenarios, auf das die Menschheit zusteuert, werden geschürt.

Friederike Feldmann möchte in ihre Malerei die Schrift vom sprachlichen Inhalt lösen. „Ich habe mir das einfach vorgestellt, mal etwas ohne Bedeutung zu schreiben, doch das war es nicht, weil wir immer eine sprachliche Absicht verfolgen. Dann habe ich mich in einen halbbewussten Schreibzustand versetzt; in der Psychoanalyse heißt das freischwebende Aufmerksamkeit. Die Schreibbewegung, die wir ja alle lernen, ist tatsächlich meine Handschrift.“ Ihre in Rot, Orange oder Grün „flott“ auf weißen Grund gesetzten Linien erinnern an benutzte Notizblöcke (Unikate, lichtbeständige Tusche auf Papier (51 x 36 cm), deren Kurzlebigkeit die in Trompe l´oeil ausgeführten Abrissspuren unterstreichen. Der Betrachter bleibt versucht, sie zu entziffern, obwohl es sich hier doch nur mehr um das energetische Konzentrat, sozusagen den Gestus, des Schreibvorgangs an sich handelt.


Moana Vonstadl, The bloodstream like a river, Tusche auf Papier, 29,7×42 cm (2 teilig), 2024
Anne Duk Hee Jordan, Worlds Away (2024), Acryl auf epoxy, 33 stuck, unterschiedliche Grössen