Andreas Greiner & Fabian Knecht
Entladung
20. Juli – 20. Juli 2013

Wenn Dinge explodieren, wird in kurzer Zeit ein Raumvolumen durch Ketten physikalischer Vorgänge um ein Vielfaches ausgedehnt. Der Raum wird „plötzlich“ neu geordnet, im Bruchteil einer Sekunde verändert. Explosionen sind immer „jetzt“. Sie schneiden in die Gegenwart.


Wer Zeuge einer Explosion wird – unerwartet, irgendwo am Rand einer Stadt –, der macht eine Erfahrung, die ihn nachhaltig irritieren wird. Die Intensität der Erfahrung wird mit der Kürze eines Moments erkauft, der endet, sobald er begonnen hat: Er kommt und geht in einem Schritt. Nach der Explosion aber wird die Gegend nicht mehr die gleiche sein, auch wenn nichts zerstört – gerade dann, wenn nichts zerstört wurde. Eine Explosion, die nichts zerstört: die „Abbildung“ einer Explosion? Sind Explosionen irreal, wenn sie keine Konsequenzen haben?

Die Explosion verrückt die Umgebung vor einen anderen Hintergrund. Arnsberg wird problematisch, für Momente zu einem Krisengebiet. Die Nachrichtenbilder sind plötzlich „ganz real“, sind nicht mehr Nachrichtenbilder. Die Grenzen werden aufgelöst. Der Raum muss neu geordnet werden.

Kann eine Explosion – darf eine Explosion zum Kunstwerk werden? Muss ein solches Werk aus ethisch-moralischen Gründen verworfen werden? Muss die Kunst (ein Phänomen der Eliten?) moralisch rechtfertigbar sein? Darf man Explosionen schön, Zerstörungen ästhetisch finden?

Wann sind Werke dekadent, wann kritisch? Können sie beides zugleich sein? Wann sind Werke einKommentar und wann bereits ein Teil des Problems? Müssen die Fragen beantwortet werden, bevor das Kunstwerk verwirklicht wird? Muss das Werk verwirklicht werden, um solche Fragen im Ernst zu stellen?

Andreas Greiner und Fabian Knecht ermöglichen mit ihrer Intervention eine ambivalente, im vollen Sinne grenzwertige ästhetische Erfahrung. Sie brechen mit ihrer Explosion (dem „Abbild“ einer Explosion?) den Alltag auf und provozieren die Ausnahme, den „Ausnahmezustand“. Durch einen Augenblick der Irritation und die Reflexion, die auf ihn folgt, öffnen sie einen Raum, in den das Andere des Alltags tritt: das Leiden und die Schönheit in den toten Winkeln der Gegenwart, die wir lieber ignorieren würden. Explosionen sind immer „jetzt“.

Lukas Töpfer, Januar 2013


Das Projekt in Arnsberg wurde realisiert mit der freundlichen Unterstützung von:

Mitya Churikov
Gernot Disselhoff
Dennis Horn
Imke Kannegiesser
Lilia Kovka
Heiner Lieberum

Dieter Meth
Albert Samreth
Diana Sirianni
Oxana Starcev
Yuichiro Tamara
Hadas Tapouchi
Andrea Teiser
Johannes Teiser
Kathrin Ueberholz
Vlado Velkov

Andreas Greiner & Fabian Knecht, Entladung, Arnsberg, 20.07.2013